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Erstveröffentlichung in der Frankfurter Rundschau am 17.06.2025
Natürlich sollen Ökonomen sich an politischen Debatten beteiligen, aber sie sollten sich auch der Grenzen ihrer Expertise bewusst sein. Die Kolumne „Gastwirtschaft“ von Bjarne Duckert.
Als Netzwerk Plurale Ökonomik ist es unser Ziel, die Vielfalt ökonomischer Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Deshalb veröffentlichen wir seit 2014 eine Kolumne in der Frankfurter Rundschau, in der wir aktuelle gesellschaftliche Themen aus der Perspektive der Pluralen Ökonomik beleuchten.
Die Wirtschaftswissenschaften haben die bemerkenswerte Fähigkeit, sich in nahezu jeden gesellschaftlichen Bereich vorzuwagen. Nun erklären sie anscheinend auch die Verteidigungspolitik zu ihrem Terrain.
Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München, plädiert für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben nach israelischem Vorbild, selbst wenn Sozialausgaben oder Klimaschutz darunter leiden müssten. Die Vorsitzende der „Wirtschaftsweisen“ Monika Schnitzer spricht sich für die Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine aus. Moritz Schularick, Chef des Kiel Institut für Weltwirtschaft, geht noch weiter: Er fordert „Massenproduktion von Raketen“, „Drohnen statt Panzer“, 3,5 Prozent des BIP für Verteidigung, taktische Nuklearwaffen und Investitionen „in die Kriegsführung von morgen“.
Es ist kein Zufall, dass sich die deutschen Top-Ökonomen und -Ökonominnen so äußern. Die Aussagen sind Ausdruck eines Selbstverständnisses, nach dem die Wirtschaftswissenschaften als universal erklärende Disziplin fungieren – der sogenannte Ökonomismus.
Dass Ökonom:innen zur Finanzierung oder wirtschaftlichen Effekten von Militärausgaben Stellung nehmen, ist nachvollziehbar. Doch wenn sie Waffensysteme empfehlen und sicherheitspolitische Strategien skizzieren, überschreiten sie ihre fachliche Kompetenz. Aussagen wie „Drohnen statt Panzer“ sind keine wirtschaftlichen Urteile, sondern sicherheitspolitische und ethische – und damit das Feld von Militärexperten und Völkerrechtlern.
Würden Soziologen oder Literaturwissenschaftlerinnen mit der gleichen Selbstsicherheit Waffenstrategien vorschlagen? Wohl kaum.
Doch die Ökonomik genießt eine besondere Stellung: Keine Disziplin ist in der Öffentlichkeit so präsent, laut und einflussreich. Die Medien verstärken diesen Trend, indem sie Ökonomen auch bei sicherheitspolitischen Themen als „kompetente Stimmen“ präsentieren – und so deren Deutungsmacht legitimieren.
Natürlich sollen Ökonomen und Ökonominnen sich an politischen Debatten beteiligen, aber sie sollten sich auch der Grenzen ihrer Expertise bewusst sein. Wer das ignoriert, betreibt keine verantwortungsvolle Analyse, sondern gefährliche Hybris.
Bjarne Duckert ist Student der Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied des Netzwerks Plurale Ökonomik.